Frankfurter Rundschau

Während der Kitschblüte
Wie auf dem Römerberg? - Philippe Terrier-Hermanns vertrackte Fotografien in der Galerie Poller

Was ist typisch japanisch? Welche Orte kennzeichnen das heutige Japan? Ein Kloster, Wolkenkratzer in Kobe, eine Frau im Kimono, Großstadtgewimmel in Tokio. Klischees? Natürlich, aber in der Photoausstellung von Philippe Terrier-Hermann in der Galerie Poller sind es in Paris lebende Japaner, die diese Orte ausgesucht haben, der Fotograf hat die Motive anschließend in Japan ins Bild gebannt. Es gab auch ein paar andere Vorschläge, die uns Europäern wohl nicht eingefallen wären: geografisch genau bestimmte Landschaften, Bäche, Seen, aber auch Frühlingszweige und sogar ein Fischladen in Tokio.
Dennoch: Diese Serie mit dem Titel Beautés japonaises ist erstaunlich konventionell und homogen. Die Japaner in der Fremde erinnern sich nur an schöne Gegenstände und Gegenden (aber was zeigen wir Frankfurter denn einem Gast als typisch frankfurterisch?).
Philippe Terrier-Hermann (geboren 1970) hat versucht, die vorgegebenen Motive in Japan möglichst sachlich zu fotografieren, ohne eigene Interpretation. Aber auch wenn er Extravaganzen vermeidet, es ist dennoch sein Arrangement, das auf den Bilden sichtbar wird. Eine Befangenheit gegenüber den Motivgebern aber ist zu spüren, ihre Vorgaben sollen nicht verfälscht werden. Entstanden ist jedenfalls eine wunderschöne Serie, die jedem gefallen kann.
Das Raffinierte der Ausstellung besteht aber darin, dass man sich das Japan ausdenken kann, das der Fotograf aufgenommen hätte, wenn er auf eigene Faust neugierig und abenteuerlustig losgezogen wäre, nicht eingeengt durch einen Auftrag. Es ist leicht vorstellbar, dass Terrier-Hermann ein ganz anderes, moderneres, kaputteres Japan entdeckt hätte.
Überhaupt liebt Terrier-Hermann in seinen Fotoarbeiten das Vertrackte, das Doppeldeutige, das nicht auf den ersten Blick Sichtbare. Das demonstriert auch der zweite Teil der Schau, Teile der Serie Fascination, Porträts von Männer in Rom. Schöne Männer, die sich lässig in Szene setzten, in Bars, in eleganten Wohnungen, aber der Glanz gibt sich nicht eindeutig. Man weiß nie so recht, ist das ein zu Reichtum gekommener Gangster oder ein Kunstmäzen. Nur ein Bild lässt keine Zweifel aufkommen: Ein Priester sitzt hinter seinem Schreibtisch, blickt mürrisch und kritisch in die Kamera - ein Mann mit Machtbewusstsein.
Die Galerie Poller, Brückenstraße 9-11, ist montags bis freitags von 10 bis 13 Uhr und von 14 bis 18.30 Uhr sowie samstags von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Weitere Informationen unter der Rufnummer 624042 und im Internet unter www.galerie-poller.com

Illustration
Berdarf es eines Japaners, um zu merken, dass das typisch japanisch ist?
Philippe Terrier-Hermann: Beautés japonaises # 88 (2003).
Philippe Terrier-Hermann, # 88, 2003, c-print on aluminium, edition of 3, 30 x 30 cm + 10 x 30 cm
Text von Wilhelm Roth

27.05.2004
Frankfurter Rundschau 22-2004, page 21
Italienischer Ruin - Photografien von Philippe Terrier-Hermann by ute


Der Fotograf Philippe Terrier-Hermann, Jahrgang 1970, konfrontiert systematisch mit der eigenen Wahrnehmung von Archetypen wie Kraft, Schönheit, Erfolg und Perfektion, indem er diese in seinen Fotografien mit einer stereotypischen, doppeldeutigen Ästhetik rekonstruiert. Obwohl seine Fotoarbeiten geradezu als glatt und elegant zu bezeichnen sind, beinhalten sie auch eine Art passive zweite Ebene.
Seine Serie römischer Porträts (»Fascination«) ist stark von der italienischen Kunstgeschichte beeinflusst. Indem er einen gewöhnlichen Minister, einen Pastor oder einen Pornoschauspieler porträtiert, die alle mit einer gewissen Ästhetik Konservatismus, Klassik, Faszination und homoerotische Ansätze verbinden, zögert er nicht, stereotypische Abziehbilder aktuellen Vorstellungen entgegen zu setzen. Auf den zweiten Blick zeigen diese Porträts ein Resümee des nach der Meinung des Künstlers bestehenden italienischen Ruins, der unter einer schönen Oberfläche ein elendes System versteckt.


Illustration Fascination - Gaetano Formisano II, 2000-2001, c-print on aluminium, edition of 5, 60 x 60 cm